Ohne reale Beschäftigungschance keine Zurechnung fiktiver Einkünfte
Wer gegenüber minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig ist, muss alles ihm mögliche und zumutbare tun, dass er genug verdient, um den Unterhalt aufzubringen. Das nennt man gesteigerten Erwerbsobliegenheit. Hier sind die Gerichte oft sehr streng und verlangen z. B. von einem Arbeitslosen, durch monatlich mindestens 30 Bewerbungen nachzuweisen, dass er sich wirklich um eine Arbeitsstelle bemüht. Weist der Unterhaltspflichtige diese Erwerbsbemühungen nicht nach, so werden ihm fiktive Einkünfte zugerechnet, d. h., er wird bei der Berechnung des Unterhalts so behandelt, als würde er das Geld verdienen, was er durch seine nicht ausreichenden Bemühungen zu verdienen unterlässt.
Diese Praxis wurde vom Bundesverfassungsgericht (FamRZ 2010, 793) eingeschränkt. Es wurde festgestellt, dass ein fiktives Einkommen nur dann angenommen werden kann, wenn das Gericht angesichts der persönlichen Erwerbsbiografie und der beruflichen Qualifikation festgestellt hat, ob der Betroffene überhaupt in der Lage wäre, ein Einkommen zu erzielen, dass über die Sicherung des eigenen Unterhalts hinaus ausreicht, um auch noch Kindesunterhalt zu leisten. Die bisher verbreitete pauschale Annahme der Gerichte, ein Unterhaltsschuldner kann bei bundesweiten Bemühungen um Arbeit als ungelernte Kraft immer ein ausreichendes Einkommen erzielen, um Kindesunterhalt zahlen zu können, erschien dem Bundesverfassungsgericht überspannt.