Corona-Krise und Gewerbemietrecht

Besteht eine Pflicht für Mieter zur Zahlung der vereinbarten Miete bei (teilweiser) Schließung eines Geschäftsraums in der Corona-Krise oder kann der Vermieter die Zahlung der vollen Miete verlangen?

– AUSFÜHRLICHE VERSION – zur Kurzversion

1. Corona-Krise als Mietmangel (§ 536 BGB)?

Zunächst stellt sich die Frage, ob durch eine (teilweise) Einstellung des Geschäftsbetriebs ein Mietmangel vorliegt, der den Mieter von der Pflicht zur Zahlung der Miete befreien würde. Nach § 536 Abs. 1 BGB gilt für Mietmängel: Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel (Sach- oder Rechtsmangel), der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit (nur) gemindert ist, hat er (nur) eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt immer außer Betracht.

Danach ist im Ergebnis in den meisten Fällen während der Corona-Krise ein Mietmangel mit der Folge einer Befreiung oder Minderung von der Pflicht zur Mietzahlung nicht anzunehmen.

a) Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen

Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mindern und damit einen Sachmangel darstellen. Insbesondere bei der Vermietung von Gewerberäumen führen privat- oder öffentlich-rechtliche Hindernisse zu einem Mangel. Voraussetzung ist aber, dass die Beschränkungen der konkreten vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters. Diese Einschränkung ist erforderlich, um dem Mieter nicht durch eine übermäßige Ausdehnung des Fehlerbegriffs das Verwendungsrisiko zu nehmen (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 14. Aufl. 2019, BGB § 536 Rn. 78).

Im Fall der Untersagung des Geschäftsbetriebs wegen der Corona-Krise dürfte es jedoch regelmäßig an der Ursächlichkeit der Beschaffenheit der Mietsache oder ihrer Beziehung zur Umwelt fehlen. Die Untersagung erfolgt hier nicht etwa, weil die Mietsache für den Betrieb eines bestimmten Geschäfts nicht mehr geeignet wäre. Stattdessen soll durch die Untersagung des Betriebs die Gefahr einer Ansteckung und Ausbreitung der Krankheitserreger durch Verringerung der sozialen Kontakte verhindert werden. Die Mietsache bleibt dabei aber grundsätzlich weiterhin für den Verwendungszweck ohne Einschränkungen geeignet.

b) Umweltmängel

Ein Mietmangel kann auch in einem tatsächlichen Umstand der Mietsache bestehen bzw. auf einem rechtlichen Verhältnis bezogen auf die Mietsache beruhen, die infolge ihrer Art und Dauer nach der Verkehrsanschauung Einfluss auf die Brauchbarkeit der Mietsache haben. Unter § 536 Abs. 1 BGB fallen daher auch die sogenannten Umwelt- und Umfeldmängel, die dann Störungen des Mieters in der Ausübung des vertragsgemäßen Gebrauchs zur Folge haben, auch wenn ihre Ursache nicht in der Beschaffenheit der Mietsache besteht, also etwa bei Baulärm aus der Nachbarschaft oder Straßenbauarbeiten. Nach den allgemeinen Verkehrsanschauungen kann hierdurch für den Mieter die Mietsache und deren Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt werden, vorausgesetzt, die Umwelteinflüsse beeinträchtigen unmittelbar (als Abgrenzungsmerkmal zum allgemeinen Lebensrisiko) den Mietgebrauch, z.B. in Form der Erschwernisse des Zugangs zum Ladenlokal (BeckOK BGB/Wiederhold, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 536 Rn. 43).

Letzteres – nämlich die Unmittelbarkeit des Umweltmangels – ist jedenfalls im Hinblick auf die Corona-Krise problematisch. Die Nutzung der Mietsache wird nämlich nicht durch die auftretenden Corona-Fälle unmittelbar erschwert, das heißt die Corona-Fälle führen nicht ohne einen notwendigen Zwischenschritt dazu, dass die Mietsache etwa schwerer aufzusuchen oder in anderer Weise nutzbar wäre, wie etwa bei einem Hochwasser oder einem schweren Sturm. Die Nutzbarkeit ist nur mittelbar eingeschränkt. Grund hierfür ist, dass die Nutzungsbeschränkung erst nach einem erfolgten Zwischenschritt – nämlich der behördlichen Untersagung – eintritt. Für die Folgen der behördlichen Untersagung und deren Beurteilung als Mietmangel gelten dann wieder die Ausführungen unter 1. a).

2. Durch die Corona-Krise verursachte Unmöglichkeit der Überlassung (§ 275 BGB) – Folge: Ausschluss des Anspruchs auf die Gegenleistung (§ 326 BGB)?

Es könnte aber aufgrund der Corona-Krise im Fall der angeordneten Schließung eines Geschäfts ein Fall der Unmöglichkeit nach § 275 BGB im Hinblick auf die Gebrauchsüberlassung der Mietsache vorliegen. Wenn die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung unmöglich wird, kommt dem Mieter die Rechtsfolge des § 326 Abs. 1 BGB zugute. Braucht nämlich der Schuldner (hier der Vermieter) nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten, entfällt auch der Anspruch auf die Gegenleistung (also die Mietzahlung).

Der Mietvertrag weist den Vertragsparteien verschiedene Pflichten zu, für die sie jeweils als „Schuldner“ einzustehen haben. Das sind für den Vermieter insbesondere die Pflicht zur vertragsgemäßen Gebrauchsüberlassung der Mietsache und für den Mieter insbesondere die Pflicht zur Zahlung der Miete; „Gläubiger“ dieser Pflichten ist die jeweils andere Vertragspartei.

Diese Pflichten zur Gebrauchsüberlassung der Mietsache und zur Mietzahlung sind hierbei miteinander verknüpft. Sie stehen also in einem Austauschverhältnis: die Miete wird dafür gezahlt, dass der Mieter die Mietsache verwenden darf, und umgekehrt überlässt der Vermieter die Mietsache dem Mieter, um die Miete gezahlt zu bekommen. Hier spricht man jeweils von Leistung und Gegenleistung. Wenn eine der Leistungen aber nicht mehr erbracht werden kann – also unmöglich wird – dann hat das auch Folgen für die Gegenleistung.

Im Nachfolgenden wollen wir die objektive Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB näher definieren, da ihre Rechtswirkungen kraft Gesetz eintreten. Auf die übrigen Fälle der Unmöglichkeit müsste sich der Vertragspartner im Wege einer Einrede berufen.

Die objektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn die geschuldete Leistung für jedermann, d.h. sowohl für den Schuldner als auch für einen Dritten endgültig nicht erbracht werden kann. Eine nur vorübergehende (zeitweilige) Unmöglichkeit lässt den Erfüllungsanspruch regelmäßig auch nur zeitweise entfallen (vgl. BeckOK BGB/Lorenz, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 275 Rn. 21). Da unter Leistung i.S.d. § 275 BGB nicht die Leistungshandlung, sondern der Leistungserfolg zu verstehen ist, liegt eine Unmöglichkeit auch vor, wenn die Leistungshandlung weiterhin möglich ist, jedoch der Leistungserfolg nicht mehr herbeigeführt werden kann (allgM., BeckOK BGB/Lorenz, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 275 Rn. 44).

Bei einem Mietvertrag über Räume tritt grundsätzlich für die Zeit, in der die Mietsache nicht zur Verfügung gestellt werden kann, die Unmöglichkeit ein, da die einmal verzögerte Leistung regelmäßig nicht mehr nachgeholt werden kann. In diesem Fall führt die Leistungsverzögerung zur Teilunmöglichkeit (BeckOK BGB/Lorenz, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 275 Rn. 37).

Welche „Leistung“ vom Vermieter geschuldet wird, bestimmt sich nach dem Inhalt des konkret geschlossenen Vertrags. Ob ein Fall der Unmöglichkeit vorliegt, muss damit stets für den konkreten Einzelfall bestimmt und kann nicht pauschal für alle Fälle gleich behandelt werden. Unter anderem ist für die Leistung des Vermieters maßgeblich, ob eine bestimmte Nutzungsart im Mietvertrag vereinbart ist. Gewerbliche Mietverträge sehen häufig nicht nur die Vermietung des Geschäftsraums vor, sondern regeln zumeist auch detailliert den beabsichtigten Miet- und Nutzungszweck. Dieser Miet- und Nutzungszweck verpflichtet einerseits den Mieter, die Mietsache nicht über den vereinbarten Zweck hinaus oder gänzlich anders zu nutzen. Er verpflichtet aber andererseits auch den Vermieter, dem Mieter ein Mietobjekt zu überlassen, das für die vereinbarte Nutzung auch tatsächlich geeignet ist.

Kann die Mietsache für die im Mietvertrag vereinbarte Nutzung aufgrund einer behördlichen Anordnung nicht mehr verwendet und (entscheidend!) also der Miet- und Nutzungszweck nicht erreicht werden, kann hierin eine (vorübergehende) Unmöglichkeit der vom Vermieter geschuldeten Überlassung der Mietsache zum vereinbarten Zweck gesehen werden. Die gesetzliche Folge wäre, dass der Mieter von der Gegenleistung (also der Mietzahlung) für den gesamten Zeitraum des Vorliegens der Unmöglichkeit befreit wäre, § 326 Abs. 1 BGB.

Eine Ausnahme hiervon kommt vor allem nur dann in Betracht, wenn der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend selbst verantwortlich ist, § 326 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB. Ist das der Fall, behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Für die hiesige Fragestellung muss deshalb geklärt werden, ob der Mieter für die Schließung seiner Geschäftsräume im Rahmen der Corona-Krise allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Das dürfte aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verneinen sein. Weder der Vermieter noch der Mieter sind hierfür verantwortlich. Die Schließung des Geschäfts aufgrund einer Pandemie dürfte zudem weder in den Risikobereich des Mieters oder Vermieters fallen, da sich hier kein vorhersehbares wirtschaftliches Risiko verwirklicht hat.

3. Maßnahmen in der Corona-Krise als Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)?

Aufgrund der Corona-Krise und der behördlich angeordneten (teilweisen) Schließungen von Geschäften kann auch ein Anwendungsfall der Störung der Geschäftsgrundlage gegeben sein.

Das kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn kein Nutzungszweck im Mietvertrag vereinbart ist und nicht schon deshalb die Leistung des Vermieters unmöglich ist. Denn bei einer bloßen Störung des Verwendungszwecks ist § 275 BGB unanwendbar. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Leistungserfolg noch herbeigeführt werden könnte, der Gläubiger hieran aber kein Interesse mehr hat (Schulfall: Die Hochzeit, für die eine Kapelle etc. bestellt worden ist, findet nicht statt, weil das Brautpaar sich nun doch nicht mehr traut); ausnahmsweise können dann aber Rechte wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestehen (vgl. BeckOK BGB/Lorenz, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 275 Rn. 44).

Ursprünglich wurde der Wegfall der Geschäftsgrundlage im Zuge der Finanzkrisen der 1920er-Jahre vom Reichsgericht entwickelt, um eine Anpassung der Verträge wegen der enormen Inflation zu ermöglichen. In der jüngeren Vergangenheit haben sich aber auch andere Anwendungsfälle herausgebildet.

Nach § 313 BGB gilt: Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorhergesehen hätten, so kann die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung – das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Ist eine Anpassung des Vertrags dann nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Die Geschäftsgrundlage eines Vertrags wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Parteien gebildet oder die von der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH Urt. v. 11.12.2019 – VIII ZR 234/18, BeckRS 2019, 35944, beck-online).

Hierunter wird man auch die Erwartung der Mietvertragsparteien fassen können, dass die Mietsache auch für den Betrieb des Gewerbes tatsächlich genutzt werden kann – einschließlich Empfang und Bedienung von Kunden im Geschäft. Das sollte jedenfalls dann gelten, wenn die für den Betrieb erforderlichen Genehmigungen allesamt vorliegen und insoweit das Risiko der Untersagung des Geschäftsbetriebs nicht in die Sphäre einer der Vertragsparteien fällt und auch die eventuelle Einstellung des Geschäftsbetriebs nicht zum allgemeinen Wirtschaftsrisiko des Mieters als Unternehmer zählt.

Eine Störung der Geschäftsgrundlage kommt aber nicht nur bei einer Änderung von tatsächlichen Umständen, sondern auch bei Rechtsänderungen in Frage. Soweit sich die Umstände der Geschäftsgrundlage aufgrund einer Gesetzesänderung erheblich verändern, kann deshalb auch ein Anwendungsfall von § 313 BGB gegeben sein. Das Risiko unvorhersehbarer Rechtsänderungen gehört nämlich nicht zu den normalen wirtschaftlichen Risiken, die jedermann selbst zu tragen hat (BeckOK BGB/Lorenz, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 313 Rn. 54).

Nach den vorstehenden Erwägungen spricht einiges dafür, dass einige Maßnahmen der Behörden oder des Gesetzgebers im Rahmen der Corona-Krise zu einer Störung der Geschäftsgrundlage führen können. Das gilt insbesondere deshalb, da hier von einem unvorhersehbaren Ereignis ausgegangen werden kann, aufgrund dessen für Gewerbemieter die Kosten für die angemieteten Räumlichkeiten nicht mehr in einem zumutbaren Verhältnis zur beim Vertragsschluss vorausgesetzten Nutzbarkeit stehen.

Die Rechtsfolgen der Störung der Geschäftsgrundlage reichen von der Anpassung des Vertrags bis hin zu einem Kündigungsrecht, letzteres aber nur, wenn alle anderen Rechtsfolgen aussichtslos sind. Die Vertragsanpassung kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen. Am häufigsten wird man sich wohl über eine Herabsetzung oder eine Stundung der Miete Gedanken machen müssen.

4. Ergebnis

Im Rahmen der Corona-Krise ist – je nach Ausgestaltung des Vertrags – denkbar, dass entweder

  1. ein Fall der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB mit der Folge des Ausschlusses des Anspruchs auf die Gegenleistung (Mietzahlung) vorliegt – insbesondere wenn die Nutzung der Mietsache zu dem im Mietvertrag vereinbarten Nutzungszweck nicht genutzt werden kann,

oder

  • ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) eintritt, aufgrund dessen der Mieter die Anpassung des Vertrags verlangen oder im äußersten Fall den Vertrag sogar kündigen kann (insbesondere dann, wenn kein Nutzungszweck für die Mietsache vereinbart ist).

Mietmängel scheinen aufgrund der Maßnahmen in der Corona-Krise dagegen eher ausgeschlossen.

Aussichtsreich erscheint vor allem ein Vorgehen auf Grundlage der Rechtsfolgen der Unmöglichkeit. Ein Vorgehen über die Störung der Geschäftsgrundlage ist stark von Wertungen – insbesondere der Frage der Unzumutbarkeit – abhängig, und muss deshalb nicht von jedermann gleich beurteilt werden.

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Sprechen Sie als Mieter mit Ihrem Vermieter über eine Kürzung der Miete oder das weitere Vorgehen mit der Mietzahlung, um gerichtliche Verfahren zu vermeiden. Zahlen Sie als Mieter ansonsten die Miete unbedingt „unter dem Vorbehalt der Rückforderung“. Damit vermeiden Sie zunächst eine Kündigung und gegebenenfalls einen teuren Räumungsrechtsstreit. Nach der Krise können die Mietzahlungen (gegebenenfalls auch gerichtlich) wieder zurückgefordert werden.